News & Blog
Wasser im Blut
Bereits nach rund einem Jahr hat sich die Schwimmschule zum festen Bestandteil des CAMPUS SURSEE entwickelt und zählt schon über 500 aktive Schwimmerinnen und Schwimmer. Einen grossen Anteil an diesem Erfolg hat der frühere Olympia-Trainer Adam Thoroczkay, der die Schwimmschule mit aufgebaut hat. Im Interview spricht er über seine ersten Schwimmerfahrungen, über die ungarische Mentalität und erstaunliche Entwicklungen im Schwimmsport.
Adam, wann hast du schwimmen gelernt?
Mit fünf Jahren. Meine Eltern haben mich damals für einen Schwimmkurs angemeldet. Es hat mir von Anfang an gut gefallen und ich war mit viel Elan dabei. Bereits drei Wochen später beherrschte ich sowohl das Rücken- als auch das Crawlschwimmen.
Du warst demnach ein guter Schwimmschüler ...
Ein sehr guter sogar. Es gab natürlich noch andere talentierte Kids im gleichen Kurs, aber ich gehörte auf jeden Fall zur Spitzengruppe.
Warum hast du so schnell schwimmen gelernt?
Ich hatte von Beginn an eine gewisse Affinität zum Schwimmen. Und die ungarische Schwimm-Lehrmethodik war damals sicherlich eine der besten auf der ganzen Welt. Ich wende übrigens noch heute Teile der ungarischen Methodik an. Das heisst, wir kombinieren Prozesse der Bewegungserfahrung mit spielerischen Übungen, die dann rasch zu positiven Aha-Erlebnissen und Lernfortschritten führen.
Was hat dich in deiner Kindheit geprägt?
Die Sportkultur. In Ungarn ist der Wettkampfsport stärker im Alltag und im gesellschaftlichen Leben verankert als in der Schweiz. Das zeigt sich auch daran, dass die erste Sporthochschule Ungarns schon Ende der Zwanzigerjahre in Budapest gegründet wurde. In der Schweiz folgte das erste Pendant erst Jahrzehnte später. Dieser mentalitätsbedingte Vorsprung besteht im Schwimmsport teilweise heute noch. Ungarn gewinnt regelmässig Olympia- und Weltmeistertitel. Das ist erstaunlich und sehr interessant für ein kleines Land wie Ungarn.
Wie lässt sich die ungarische Mentalität in Bezug auf den Spitzensport deiner Meinung nach erklären?
In Ungarn hat sich der Wettkampfsport aus dem Nationalgefühl heraus entwickelt. Der Grundgedanke der modernen Olympischen Spiele, dass sich Länder nicht in Kriegen, sondern in Weltausstellungen und sportlichen Grossveranstaltungen messen sollen, war identitätsstiftend. Auch war es im kommunistischen Ungarn früher quer durch die Gesellschaft angesehen, Wettkampfsport zu treiben, um so die Chance zu erhalten, ins Ausland zu reisen. Der Weg zu diesem Ziel war aber extrem hart und verlangte nach enormem Fleiss und Disziplin.
Inwiefern spielt Geld eine Rolle?
Ein ungarischer Olympiasieger verdient im Monat bis zu EUR 10’000. Dieser Betrag kommt aus einem Sponsorenpool sowie aus staatlichen Geldern. Der Durchschnittslohn eines Ungarn liegt unter EUR 1’000 pro Monat. Rechnet man die Zahlen in Schweizer Verhältnisse um, wo das jährliche Durchschnittseinkommen bei CHF 50’000 liegt, würde man als Olympiasieger CHF 500’000 im Jahr verdienen. Und es geht sogar noch weiter: Jeder Sportler, der je an Olympischen Spielen teilgenommen hat, erhält lebenslang EUR 600 Olympiarente. Genauso die Trainer, die entscheidend an seiner Karriere mitgewirkt haben. Die Anreize in Ungarn sind also enorm. Auch heute noch. In der Schweiz ist das anders. Hier wird mehrheitlich in den Breitensport investiert. Für einen Schweizer Schwimm-Europameister bedeutet das, dass er finanziell gerade so über die Runden kommt.
Wie sah dein Weg zum Schwimmtrainer aus?
Ich beschäftige mich seit 1984 – seit ich 15 Jahre alt bin – mit der Methodik des Schwimmens. Sie fasziniert und begeistert mich seit jeher. Innerhalb weniger Jahre habe ich mich durch entsprechende Ausbildungen an der Trainerakademie in Ungarn weitergebildet. Diese Akademie ist vergleichbar mit dem Bundesamt für Sport in Magglingen als Weiterbildungsinstitut.
Wie steht es heute um deine eigenen Schwimmkünste?
Ich schwimme selber auf technisch recht hohem Niveau. Aber man muss kein Ausnahmeathlet gewesen sein, um als Schwimmlehrer erfolgreich zu sein. Viel wichtiger ist die Leidenschaft. Ein Physiker muss schliesslich auch nicht alles am eigenen Leib erfahren haben, um die Gesetze der Natur zu verstehen.
Welches ist dein Lieblingsschwimmstil?
Delphin, Rücken, Crawl, Brust – ich schwimme alle vier Schwimmlagen sehr, sehr gerne und jede hat ihre Vorzüge. Delphin ist spektakulär, Rücken und Crawl sind sehr effiziente und ästhetische Schwimmlagen und das Brustschwimmen hat die komplizierteste Technik.
Inwiefern unterscheiden sich Kinder und Erwachsene beim Schwimmenlernen?
Kinder haben zwar oftmals mehr Angst als Erwachsene, lernen aber schneller. In jenem Moment, in dem ein Kind den Auftrieb des Wassers in den Griff bekommt, wirkt sich sein spezifisches Gewicht im Vergleich zu einem schwereren Erwachsenen positiv für sein Gleitvermögen aus. Einfach gesagt: Sind die Kinder mal oben, kommen sie schneller ins Schwimmen.
Welches sind die grössten Fehler, die Laien beim Schwimmen machen?
Die meisten liegen nicht auf der Wasseroberfläche, sondern stehen schräg im Wasser und strecken den Kopf in die Höhe. Ziel des Schwimmens ist es, wie ein Boot horizontal im Wasser zu liegen, sodass der Körper den Auftrieb des Wassers optimal nutzen kann.
Wie kann ich meinen Schwimmstil auf einfache Weise verbessern?
Komm zu Adam (lacht)! Es ist wirklich hilfreich, eine schwimmkundige Anleitung zu erhalten. Man muss sich eingehend mit der Technik beschäftigen und das ist ohne Unterstützung sehr schwierig. Hinter jeder Sportbewegung steht ein Lernprozess. Beim Schwimmen besteht insofern ein Unterschied zu allen anderen Sportarten, als man zuerst die Gesetzmässigkeiten des Elements «Wasser» kennenlernen muss. Beim Joggen, Fussballspielen oder Klettern sind uns die physikalischen Voraussetzungen vertraut. Das Wasser hingegen ist nicht das natürliche Element von uns Menschen. Zudem hindert uns der Kopfstellreflex – der Drang, den Kopf nach oben zu halten – in der horizontalen Körperlage zu bleiben.
Welches Erlebnis als Trainer wirst du nie vergessen?
Die Teilnahme an Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften mit den Sportlern. Jedes dieser Ereignisse ist ein Miteinander und beide müssen Überdurchschnittliches leisten. Weder als Trainer noch als Sportler schafft man es ohne den anderen so weit. Nur wenn das Talent und die Beharrlichkeit des Sportlers auf die Expertise und Fachkompetenz des Trainers treffen, sind solche Erfolge möglich. Dies hautnah zu erleben, ist unbeschreiblich.
Welche Entwicklungen prägen den Schwimmsport von heute?
Die Schwimmtechniken an sich unterliegen einer extremen Entwicklung. Ich war an den Olympischen Spielen in Sydney 2000 und in London 2012 mit dabei und fast jeder Bronzemedaillengewinner von Sydney wäre in London mit seinen Schwimmzeiten nicht oder nur teilweise qualifiziert gewesen. Diese rasante Entwicklung ist erstaunlich, oder? Das ist in vielen Sportarten der Fall, aber im Schwimmen ist das Ausmass der Veränderung besonders gross. Nehmen wir Michael Phelps, der an Olympischen Spielen über 23-mal Gold gewann. Jedoch sind ein bedeutender Teil seiner Welt- und Juniorenrekorde bereits von neuen Talenten gebrochen. Es zeigt sich, dass sogar Weltrekorde eines solchen Ausnahmekönners in der heutigen Zeit recht rasch übertroffen werden.
Ist das nur im Spitzensport der Fall?
Nein, ich habe die Erfahrung gemacht, dass auch Kinder immer schneller werden. Heute erlangen sie ein höheres Niveau in kürzerer Zeit. Das ist ein interessantes Phänomen und vermutlich würden nicht alle Trainer diese Feststellung unterschreiben. Aber ich weiss, wovon ich spreche. Es ist unglaublich, wie Kids mit demselben Training und denselben Übungen heute viel schneller schwimmen als noch vor 25 Jahren. Eine mögliche Erklärung: Kinder und Jugendliche sind tendenziell grösser und schlanker als früher und haben längere und schmalere Füsse. Das ist ein Vorteil beim Schwimmen. Hinzu kommt womöglich das wachsende Bewusstsein für eine gesunde Ernährung im Kindes- und Jugendalter.
Welche Visionen hast du für die Schwimmschule im CAMPUS SURSEE?
Ich möchte, dass die Kinder in der Schwimmschule so gut schwimmen lernen, dass das Schwimmen für sie zu einem Teil ihres Lebens wird. Damit meine ich nicht, dass sie unbedingt Wettkampfsportler werden sollen. Nein, Ziel ist es, dass sie mit der gleichen Selbstverständlichkeit schwimmen, wie sie joggen, Velofahren oder snowboarden. Es ist eine unglaublich gesunde Bewegungsform. Aber man geniesst es nur dann, wenn man die Technik beherrscht. Und dafür braucht es uns.
Wo steht die CAMPUS SURSEE Sportarena in 15 Jahren?
Sie wird ein anerkanntes Zentrum für alle Wassersportarten sein: Schwimmen, Artistic Swimming, Wasserball, Wasserrettung etc. Davon bin ich überzeugt.
Du hast fast alles erreicht, was man sich als Trainer erträumen kann. Welche Meilensteine hast du dir für die Zukunft noch vorgenommen?
In rund fünf Jahren will ich einen Fachkongress für den Schwimmsport organisieren. Fachleute aus aller Welt, vom Trainer bis zum Wissenschaftler, sollen sich treffen und austauschen können. Dies mit dem Ziel, Synergien zu nutzen und das unendliche Wissen in diesem Fachbereich zusammenzufügen. Die Schweiz ist prädestiniert für einen solchen Kongress. Ich bin darum sehr zuversichtlich, dass diese Vision Wirklichkeit wird.
Gesamte Bericht zur Schwimmschule finden Sie im CAMPUS Infomagazin, Frühling 2019, ab S. 23.
Interview: Nadja Metzler
Das könnte Sie auch noch interessieren
